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Europa in Würzburg Schülergruppe des Erasmusprojekts am GTO besuchte die Würzburger Residenz.


    „What makes us Europeans?“ Dies war eines der Themen, mit dem sich neun Schüler aus den Klassen 9a und 10b des Ganztagsgymnasiums Osterburken (GTO) und ihre italienischen Gäste in der „europäischen Woche“ im Rahmen des europäischen Erasmus + Projekts beschäftigten. Vom 2. bis 8. Juni waren Schüler des ITI-Marconi-Gymnasiums in Padua (Veneto) mit ihrer Lehrerin Claudia Ficcaglia zu Gast am Ganztagsgymnasium Osterburken. Dort wird der europäische Schüleraustausch seit vielen Jahren von Erasmus-Koordinator Konstantin Kostadinov organisiert.

    Dass die Würzburger Residenz auf ganz besondere und vielfältige Weise europäische Kultur und Identität verkörpert, wurde bei einer englischsprachigen Führung durch das großartige Barockschloss erlebbar. Die GTO-Lehrer Elke Autrata und Christian Langewellpott begleiteten die Austauschgruppe nach Würzburg. Nach dem Besuch der Residenz verbrachten die Schüler und die italienische Lehrerin noch einen angenehmen Nachmittag in der Würzburger Altstadt. Der junge Gästeführer der Würzburger Residenz, Modestas Krauzlys, vermittelte auf engagierte und äußerst anschauliche Weise die Umstände der Entstehungs-geschichte der Residenz, das Leben darin, die Mode des 18. Jahrhunderts sowie die Handwerkstechnik der Stuckdekoration. Gemäß der vorherigen Konzeption und Absprache erläuterte Langewellpott an den entsprechenden Stationen der Führung, wie sich das Thema Europa und europäische Zusammen-hänge in der Würzburger Residenz zeigen.

    Der Gebäudekomplex, der Unesco-Welterbe ist, entstand im Rohbau von 1720 bis 1744. Die lange Bau-zeit erklärt sich vor allem damit, dass die Würzburger Fürstbischöfe während dieser Zeit bestrebt waren, auf dem höchsten künstlerischen Niveau zu bauen, und der leitende Architekt Balthasar Neumann die jeweils vorherrschenden Strömungen aus den europäischen Kunstzentren zu berücksich-tigen hatte, so vor allem aus Wien, Paris und Norditalien. So ähnelt der Mittelrisalit der Gartenfassade der Würzburger Residenz auf verblüffende Weise demjenigen des berühmten Schlosses Oberes Belvedere in Wien. Aber auch aus dem niederländischen Raum und aus Böhmen gab es Einflüsse. Die aus allen Himmelsrichtungen Europas stammenden Künstler, die bei der Errichtung undAusstattung der Residenz beteiligt waren, lassen einen fast denken, dass es damals schon einen gemeinsamen europä-ischen Arbeitsmarkt gegeben hätte.

    Immer wieder ergaben sich für die italienischen Gäste, die aus der Nähe Venedigs kommen, besondere Bezugspunkte: Der zu seiner Zeit hochgefeierte Venezianer Maler Tiepolo schuf mit dem bekannten Treppenhausfresko und seinen Fresken im Kaisersaal seine einzigen Werke, die nördlich der Alpen zu finden sind. Im Kaisersaal erlaubte er sich offenbar einen Scherz: Über der Darstellung des Kaisers Barbarossa, der kniend bei seiner Trauung durch den Würzburger Bischof gezeigt wird, befindet sich als gemaltes Architekturdetail ein geflügelter Löwe. So scheint sich der kniende Kaiser, der 1177 im Zusammenhang mit seinen Kämpfen in Italien den Frieden von Venedig schloss, vor dem Symbol Venedigs, dem Markuslöwen, zu erniedrigen. Heimatliche Anblicke boten sich den italienischen Gästen im sogenannten „Venezianischen Zimmer“: Auf den um 1740 in der eigenen Würzburger Gobelinmanufaktur hergestellten Wirkteppichen sind im Hintergrund Stadtansichten von Venedig zu sehen.

    Wie man um die Mitte des 18. Jahrhunderts Europa und sein Verhältnis zum Rest der Welt verstand, zeigt sich im berühmten Treppenhausfresko Tiepolos: Die Allegorie der Europa thront vor der noch im Bau befindlichen Würzburger Residenz, umringt von Höflingen, Allegorien der Künste und Wissenschaften sowie vom Architekten Neumann und den bedeutendsten Künstlern, die in Würzburg tätig waren. Würzburg verstand sich als europäisches Zentrum und sogar als Mittelpunkt der Welt. Als Merkmale Europas erscheinen Christentum, Militär, die Künste, die Wissenschaften sowie die prächtig-höfische Eleganz der Gewänder.

    Dass aber eindeutig die Kultur im Vordergrund steht, entspricht genau dem Ansatz, durch den das Erasmusprojekt den Austausch zwischen Universitäten und Schulen in Europa und damit die europäische Identität fördert.